Preisträger des Georg-Vogelpohl-Ehrenzeichens 2006

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Werner Stehr

Geboren am 03.11.1946 in Karlsruhe. Aufgewachsen in Stuttgart. Berufswunsch Erfinder, Lehrer oder Unternehmer. Nach dem Studium von Biologie, Sport und Maschinenbau ergreift Werner Stehr die Chance seines Lebens und tritt in die Firma seiner Schwiegereltern Dr. Maria und Herbert Tillwich ein. Dort übernimmt er die technische Abteilung und wird deren Leiter.

1975 entwickelt W. Stehr die ersten tribologischen Modellprüfsysteme für den Bereich der Feinmechanik und Uhrentechnik (modifiziertes Reibungspendel nach Barker und Gleitlagerprüfstand für Wellen kleiner 1 mm). Durch den Einsatz dieser Prüfmethoden werden neue Uhren- und Instrumentenöle entwickelt und weltweit vertrieben. Seine Spezialkenntnisse über die Schmierung und das Design von mikromechanischen Gleitlagern machen W. Stehr zu einem gefragten Fachmann in der Problemlösung und Entwicklung.

1978 wird Werner Stehr zusammen mit Frau Dr. Maria Tillwich Geschäftsführer der Dr. Tillwich GmbH in Horb am Neckar 40 km südlich von Stuttgart am Tor zum Schwarzwald. Nach dem Ruhestand von Frau Dr. Tillwich wird er 1986 Inhaber der Firma.

Werner Stehr wird durch seine tribologischen Entwicklungen und Experimenten zu einem international bekannten Tribologen, der sich vor allem mit dem Reibungs- und Verschleißverhalten von Polymeren im Kontakt mit Schmierstoffen beschäftigt. Die von ihm entwickelten Prüfgeräte und Simulationsmodelle werden in Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen der Industrie und an Hochschulen zur Grundlagenforschung und zur tribologischen Materialprüfung eingesetzt. Seine Untersuchungen zum Benetzungsverhalten von Schmierstoffen auf mikromechanischen Bauteilen und die Entwicklung eines Verfahrens zur Verhinderung von Praxisausfällen durch wegkriechenden Schmierstoff trocken laufender Gleitlager (Migration) sind weltweit bekannt.

Die Präzisionsschmierstoffe seiner Firma können mit selbst entwickelten Prüfmethoden und Verfahren für alle Parameter der Endverbraucher untersucht werden. So zum Beispiel das Funktionsverhalten von Kraftfahrzeuginstrumenten im Temperaturbereich von -40°C bis 150°C und einer Gleitgeschwindigkeit der Miniaturlager von 0,0001 mm/min bis 6000 mm/min. [[Viele dieser Prüfmethoden werden auch als Dienstleistung durchgeführt. So zum Beispiel die zeitgeraffte Alterung von Schmierstoffen in Kontakt mit Lagerwerkstoffen, das Benetzen von Oberflächen und das Migrieren von ausblutendem Öl aus Fetten. Im tribologischen Dienstleistungsbereich können alle wichtigen Modellprüfsysteme eingesetzt werden: Stift/Scheibe, Kugel/Platte, Platte/Platte, Zylinder/Platte, Kugel/Prisma und Welle/Lager.]] Mit einem von Stehr entwickelten Static-Friction-Tribometer kann der Übergang zwischen Haften und Gleiten extrem genau bestimmt werden. Durch das Arbeiten mit diesem örtlich hoch auflösenden Tribometer konnte festgestellt werden, dass Probekörper ein tribologisches Gesicht haben. Auf der Gleitlinie einer rotierenden Stahl 100Cr6-Kugellagerkugel z.B. variiert der Reibungskoeffizient um mehr als 5% ohne dass irgendwelche messbaren Unterschiede in der Oberflächentopografie, der Festigkeit oder der Härte festgestellt werden können. [[Mit der Möglichkeit, Stick-Slip-Untersuchungen zur Geräuschreduzierung durchzuführen, ist das tribologische Prüflabor von W. Stehr europaweit die einzige dazu ausgerüstete und spezialisierte Einrichtung.]]

Die Neugier von Werner Stehr und das Hinterfragen, warum die Dinge so sind, wie sie scheinen, nichts glauben zu wollen, ohne es selbst begriffen zu haben, ist seine stetige Triebfeder. Viele Experimente und Demonstrationsmodelle, Versuche und Gedankenexperimente sind daraus entstanden. Sie werden mit Erfolg bei Fortbildungsveranstaltungen, bei Seminaren und Vorträgen und in Lehre und Unterricht eingesetzt.

Weitere wichtige Meilensteine in der wissenschaftlichen Arbeit von W. Stehr:

Entwicklung des tribologischen Modellprüfsystems Kugel/Prisma mit integriertem Schmierstoffdepot. Dieses Prüfsystem wurde 1995 genormt (DIN und ISO 7148-2).

Projektleiter eines internationalen EG Forschungsvorhabens 1989 bis 1992. Thema „Tribologie der Liquid Crystal Polymere“.

Erstellung einer tribologischen Datenbank mit über 20.000 Eintragungen von Versuchsergebnissen aus mehr als 30 Jahren tribologischer Forschung und Entwicklung. Mit dieser Datenbank und der Datenbank der BAM in Berlin steht der Industrie eine Wissensbasis zu Verfügung, die eine schnelle Vorauswahl von Gleitpaarungen und deren Schmierung ermöglicht.

Werner Stehr ist Inhaber von mehr als 50 Patenten, z.B.: ein intelligentes Fett, das die Spaltweite in einem Gleitkontakt definieren kann; eine empfindliche Methode zur Fließgrenzenmessung von Fließfetten; ein Sintergleitlager mit höherer Belastbarkeit und Lebensdauer; eine reibungs- und verschleißfreie Prüfstandslagerung; 2005 die Entwicklung einer Untersuchungsmethode, mit der False Brinelling nachgestellt werden kann. Die Verwendung eines haushaltsüblichen Mikrowellenherds zur Nutzung eines Mikrowellenplasmas für die Fluorierung von Polymeroberflächen war beispielhaft.

Werner Stehr hat als Autor in mehreren Fachbüchern veröffentlicht. Das Buch „Die Bratwurst und der Lagerschaden“, das Stehr zusammen mit Dr. Dobler verfasst hat, erscheint bereits in der 4. Auflage. Werner Stehr ist häufiger Referent an der TAE Esslingen, war Mitglied des Vorstands der GFT, externer Berater und Mitdenker in Forschungsprojekten, Mitglied in verschiedenen DIN und ISO Arbeitskreisen.

Seine Hobbys sind: Sport, Tennis, Badminton; Leichtflugzeuge; Drechseln; Silberschmieden; ein Citroen Oldtimer Bj. 1956 und ein Goggomobil. Die Astronomie und die Meteorologie sind weitere Steckenpferde von Werner Stehr.

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