Preisträger des Georg-Vogelpohl-Ehrenzeichens 1984

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Dr.-Ing. Alexander Mohrenstein-Ertel

Alexander Michailowitsch Ertel wurde im Jahre 1913 in Moskau als Sohn eines russischen Offiziers deutscher Abstammung geboren. Mit 8 Jahren wurde er eingeschult und besuchte Lehranstalten in Kalasin und später in Moskau, wo er auch die Abschlussprüfung bestand, die unserem Abitur entspricht. Da ihm der Zugang zur Universität zunächst verweigert wurde, begann er ein Fernstudium. Aber auch nachdem er zu der berühmten Lomonossow-Universität zugelassen wurde, erhielt er keine staatliche Förderung.

Durch Teilnahme an einer – teilweise abenteuerlichen – Expedition nach Zentralasien, durch kartografische Zeichnungen und Durchführung rechnerischer Arbeiten für P.L. Kapitza verdiente er sich seinen Lebensunterhalt.

Bereits 1939 – noch während seines Studiums – veröffentlichte die Zeitschrift der Akademie der Wissenschaften der UdSSR seine Arbeit „Hydrodynamische Theorie der Schmierung unter neuen Voraussetzungen“.

1941 schloss er sein Studium mit dem Diplom für theoretische Physik ab. Danach wurde er in das Institut für Maschinenwesen, Abteilung Reibungstheorie (ZNIITMASH), in Moskau übernommen und setzte dort seine Untersuchungen fort, woraus 1944 und 1945 weitere Veröffentlichungen resultierten, über die er auch in mehreren Vorträgen berichtete.

Darunter war der Aufsatz „Die Berechnung der hydrodynamischen Schmierung gekrümmter Oberflächen unter hoher Belastung und Relativbewegung“.

Der dort beschriebene neue Ansatz enthielt bereits alles, was auch heute – mehr als ein halbes Jahrhundert später – in der Elastohydrodynamik berücksichtigt wird:

Elastizität der Gleitkörper, Veränderlichkeit der Viskosität abhängig von Druck und Temperatur, die Kompressibilität der Schmierstoffe und die Erwärmung der Körper durch Reibung. In ihren Gutachten rühmten sowohl Chrustschov als auch Grubin, dass in diesen Arbeiten nicht nur die wesentlichen Einflussgrößen richtig erfasst sondern auch Lösungen gegeben wurden, die eine Anwendung in der Praxis ermöglichten.

Nach Kriegsende ging Ertel im Auftrage des Ministeriums für Schwermaschinenbau nach Berlin-Pankow und übernahm dort die Leitung des Laboratoriums für Reibung und Schmierung. Bereits schwer erkrankt, flüchtet er 1946 nach Westdeutschland und tauchte dort unter.

Nach seinem vermeintlichen Tode wurde die oben genannte Arbeit im Jahr 1949 unter dem Namen von Grubin veröffentlicht; jedoch ist Ertels Urheberschaft heute in Ost und West unbestritten.

Im Osten als tot angesehen, im Westen praktisch unbekannt, musste er sich eine zweite Karriere als Wissenschaftler erarbeiten. Unter dem Namen Alexander v. Mohrenstein fand er von 1946 bis 1948 eine Anstellung am Institut für Maschinenelemente der TH. Braunschweig, wo er im Jahre 1947 promovierte. Von 1952 bis 1954 war er am Institut für theoretische Physik der Universität Freiburg beschäftigt. Gleichzeitig war er bei der Firma Kugelfischer als freier Mitarbeiter in einem Labor im Werk Ebern tätig. Dort entwickelte er unter anderem das nach ihm benannte elastohydrodynamische „Mohrenstein-Lager“.

Im Mai 1959 verunglückte er auf dem Heimweg von Ebern nach Freiburg so schwer, dass an weitere wissenschaftliche Arbeit für lange Zeit nicht mehr zu denken war.

Er war aber nicht vergessen, und so wurde ihm im September 1984 von der Gesellschaft für Tribologie das Georg-Vogelpohl-Ehrenzeichen verliehen. Ein wechselvolles Schicksal trug dazu bei, dass seine Verdienste bei der Entwicklung dieser damals revolutionären neuen Disziplin bei uns erst spät anerkannt und gewürdigt wurden.

Am 27. Oktober 2001 verstarb Alexander Mohrenstein-Ertel, Vordenker und Pionier auf dem Wege von der hydrodynamischen Schmierungstheorie zur Elastohydrodynamik.

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